Der Purpurmantel

[152] Der König ging vertrieben

Durch ein Feindesland,

Die mit ihm sind geblieben,

Bindet da kein Band.


Da sind in Noth nur blieben,

Die er oft verkannt,

Denn streng sind, die uns lieben,

Fest ist der Liebe Band.


Er sah wie seine Feinde

Dort am Ufer stehn,

An Freundes Busen weinte,

Wollte schier vergehn.


»Ich habe nichts zu geben,

Als den Mantel mein,

Der gab mir Noth im Leben,

Bald auch Todespein.«[152]


»War meine Noth beglücken

Eurer Tage Preis,

Den Purpur reißt in Stücken,

Geb' ihn allen preis!«


Er faßt, so viel er konnte,

Jeder riß sein Stück,

Es auf dem Herzen sonnte,

Wie ein Stern im Glück.


»Nun flieht!« befiehlt der König,

»Lasset mich und flieht!«

Zum erstenmal der König

Ungehorsam sieht.


»Der Purpur ist zerrissen,

Aus ist nun dein Reich,

Wir handeln nach Gewissen,

Sind nun alle gleich.«


»Wir stehn am jüngsten Tage

Schon dem Weltgericht,

Auf hoher Himmelswage;

König der Könige richt!«


»Der Purpurstern kann blitzen,

Wärmen euer Herz,

Nicht wie ein Harnisch schützen! –

Kältend deckt das Erz!« –


Die Feinde sahn sie blicken,

Sahn die Sterne hell,

Und ihre Pfeile drücken

In die Herzen schnell.[153]


Die purpurrothen Stücke

Tauchte in Blutes Farb,

Der Feind ging über die Brücke,

Nicht den Schmuck verdarb.


Es stiftet einen Orden

Diesem nach der Feind,

Der ordnet seine Horden,

Sie durch Treu' vereint.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 152-154.
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