Am Fest der heiligen Dreyeinigkeit


Die Dreyeinige Gottheit

[86] Nach der Singweise: Jesu, du mein liebstes Leben.


1.

Hochgelobtes Eins in Dreyen,

Ewigs Lied der Serafim,

Dem die Himmel Jubelschreyen

Durch die Stimm der Cherubim,

Heilighöchstes Gottheit-Wesen

Sonder Anfang, sonder End!

Dich nit kennet, doch bekennt

(Wie dein Wort dich gibt zu lesen)

Meine Seel, zuvor dein Bild,

Itzt in Sünd und Nacht verhüllt.


2.

Dich ich als im Spiegel sehe

In Quell, Brunn und Bächelein:

Also lern ich und verstehe,

Daß drey Eines könne seyn.

Wasser fliesset, netzt und kühlet,

Es ertränkt und reisst auch fort,

Führet zu des Todes Pfort,

Wer zu frech darinnen spielet.

Wer will grüblend wissen mehr,

Schöpfft in eine Grub das Meer.


3.

Dein Bild in der Sonn ich sehe,

Die hat Strahlen, Hitz und Schein:

Also lern ich und verstehe,

Daß drey Eines könne seyn.

In die Sonne zwar zusehen

Taugt kein Menschlichs Angesicht.

Hier man wohnt im dunklen Liecht,

Kan die Gottheit nicht verstehen.

Dort wirst du dich zeigen mir:

Unterdessen gläub ich hier.
[86]

4.

Gläuben muß man hier und trauen,

Was von sich Gott selber sagt;

Dorten erst hebt an das Schauen.

Wahrer Glaub nit zweifel fragt.

Bin ich doch getaufet worden

Auf Gott Vater, Sohn und Geist.

Sein Wort mich zum Jordan weist,

Da aus offner Himmelspforten

Gottes Stimm von Jesu zeugt

Und der Geist auf ihn abfleugt.


5.

Gnug ists, ob ich dich nit kenne,

Daß ich deinen Willen weiß.

Deine Gnad mich fähig nenne

Zuerfüllen dein Geheiß.

Vater Christi! sey auch meiner,

Schöpfer, auch mein Vater sey!

Jesu! sey mir Bruder-treu,

Laß auch mich geniessen deiner.

Sey mein Beystand, Gottes Geist!

Eins in Dreyen, sey gepreist!


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 5, Hildesheim 1964, S. 86-87.
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