Das Mädchen zu Cadix

[314] »Willst, ein Schlechter unter Schlechten,

Um die Spanierin du buhlen?

Girrend zu der Laute singst du,

Und der Franke hält die Runde.


Geht, ich kenn euch, Taubenherzen!

Geht, ich kenn euch, Andalusier!

Euch die Spindel, uns die Waffen,

Besser ständ's mit Spaniens Ruhme!


Regen sich in ihrer Scheide

Eure Messer ungeduldig

Durstend nach dem Blut der Fremden,

Sprecht ihr zu dem Eisen: ruhig!


O der übermüt'gen Fremden!

Über euch sei ihre Rute,

Über euch, ihr feigen Knechte,

Würdig solcher Nebenbuhler!« –


»Herrin, Worte schweren Inhalts

Sprichst du aus mit leichter Zunge,

Stehst du mit den fremden Henkern

Scherzend gegen mich im Bunde?« –


»Dünken dich, mein zarter Knabe,

Schon des Mädchens Worte furchtbar? –

Sieh den Franken! – willst du Schutz nicht

Unter meinem Mantel suchen?« –


»Unverhohlen, was begehrst du?

Eh ich solche Schmach erdulde,

Will ich jede Tat begehen,

Gehen selber dann zu Grunde!« –


»Dieser kommt im Glanz der Waffen

Und vertrauet seiner Jugend;

Bist ein Spanier du, beweis es, –

Nieder mit dem stolzen Buben!« –
[314]

Aber röchelnd lag der fremde

Krieger schon in seinem Blute;

Schergen holten ein den Täter,

Brachten ihn daher gebunden.


Und das Mädchen sang frohlockend:

»Diesmal ist es mir gelungen!

Eines Toren werd ich ledig,

Und der Franke zahlt die Buße.«


Diese Worte hört der Spanier,

Winket schweigsam seiner Buhlen,

Ziehet schweigsam dann vorüber,

Finstern Sinnes, kecken Mutes. –


»Nicht ihr, Franken, gebt den Tod mir,

Nicht um Sühne muß ich bluten,

Weil ich Spaniens Boden schmückte

Mit dem ihm verfallnen Purpur.


Nein, ich trag in meinem Herzen

Schweigsam schon die Todeswunde;

Meine Herrin hat gerichtet,

Meine Stunde hat gerufen!« –


Also sang er vor der Fronte,

Als die Augen ihm verbunden;

Auf den Wink des Führers sank er,

In dem Herzen sieben Kugeln.


Quelle:
Adalbert von Chamisso: Sämtliche Werke. Band 1, München [1975], S. 314-315.
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