[389] Der ist fürwar vnd gwiß nit klůg /
Der nutz vom erbarn scheyden thůt.
Denn nutzlich ist zu keiner frist /
Das nit auch recht vnd erbar ist.
Den tod soltu dir wünschen nicht /
Solst dich auch drob entsetzen nicht.
Was tragen du vnd leiden solt /
Das leid mannlich vnd mit gedolt.
Vor wem sich ieder förchten thůt /
Dem thůt er nit allein kein gůt /
Sondern haßt vnd verfolget jn /
Wünscht jm den tod in seinem sin.
Schaw würd nit stoltz / wann dir das glück
Zůfellt / du kennst noch nit sein tück.
Bekümmer dichs auch nit zu fast /
Wann vnglück du vnd trübsal hast.[389]
Wollust vergeht wie schne vnd eiß /
Tugent vnd kunst bhält ewigen preiß.
Verheyssen magst eim etwas wol /
Doch wiß / daß es on sünd sein sol.
Was wider erbarkeyt geschicht /
Bistu zuhalten schuldig nicht.
Nichts ist so fest / so groß vnd hoch /
Der fleiß gwinnts vnd eroberts doch.
Im zaum halt du dich alle zeit /
Daß du nit / was habn ander leut /
Betastest oder greiffest an /
Dann solchs gibt gar einn bösen lon /
Böse begird thůt nimmer gůt /
Alls übel sie mit bringen thůt.
Es ist nit gnůg / daß die hand sei
Vnschuldig / wann nit auch dabei
Das hertz fromm vnd on allen list /
Auffrichtig vnd rechtschaffen ist.
Ein gůtes sprichwort merck hiebei /
Halt inn den zorn / laß jn nit frei
Seins gfallens farn / danns ist nit gůt /
Wo iemand auß zorn etwas thůt.
Es ist aber ein anders wort /
Das man von mir hat offter ghort.
Zu aller zeit bedencken sol
Ein ieder sich in allem wol /
Was er thůn vnd anfahen wil /
Dennocht gerädt es wie es wil.
Wolan jr habt gehöret an /
Die frommen herren / die euch han
Ir weise leer getheylet mit /
Die wöller ja verachten nit.
Vil löblicher vnd gůter lehr /
Die wirdig sein alls preiß vnd ehr /
Haben sie bracht hier auff die ban /
Vnd solches euch zulieb gethan.
Wenn gůte lehr wer noch so gůt /
Wann man sich nit auch hält vnd thůt
Nach solcher klůgheyt / ists verlorn /
Wann mans nur wil außwendig hörn /
Nit pflantzen in das hertz hinein /
So ists nur ein vergebner schein.
Es ist nit gnůg / daß man vil hort /
Man thů auch nach dem ghörten wort /
Man richt das leben gantz vnd gar /
Nach solcher ghörten gůten lahr.
Wil es hie also bleibenlan /
Dem höchsten euch befolhen han.
Der geb euch / was zu aller frist /
Zu leib vnd seel euch nützlich ist.
Lebt frölich lieben herrn / vnd seit
Der tugent günstig alle zeit.
Den gůten künsten deßgeleich
Wölt freudtlich jr erzeygen euch.
Die weißheyt auch für augen han /
So wirts euch allzeit glücklich gan.
Ende.
M.D.LII.[390]
Buchempfehlung
Nach dem Vorbild von Abraham von Franckenberg und Daniel Czepko schreibt Angelus Silesius seine berühmten Epigramme, die er unter dem Titel »Cherubinischer Wandersmann« zusammenfasst und 1657 veröffentlicht. Das Unsagbare, den mystischen Weg zu Gott, in Worte zu fassen, ist das Anliegen seiner antithetisch pointierten Alexandriner Dichtung. »Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein. Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.«
242 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro