Pilatus

Ein Lächeln schiefen Grames, das verschwindet

Hinein in seiner Stirne weißes Tor.

Er sitzt auf seinem Stuhl. Seine Hände erhoben

Brechen den Stab und fallen von oben.


Aber wie eine Blume voll grüner Helle

Leuchtet im Dunkel der Höfe der König der Juden.

Und die Stirn, die sie schattig mit Dornen beluden,

Brennt wie ein Stein in fahler Grelle.


Und der Gott steigt hinauf, von den Schultern gehoben

Riesiger Engel, er singet, ein Schwan,

Leicht und klein fährt er auf in der strahlenden Bahn

Und der Vater, im Glanze, wartet sein droben.


Aber der Richter am blauen Gebirge

Hänget im riesigen Mantel wie faltige Frucht.

Wild kommt der Abend über die hallenden Öden.

Schweigsame Wasser fallen in grüner Schlucht.
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Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg, München 1960 ff., S. 483-484,486-487.
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