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[91] Ans Fenster schlägt ein unerschöpfter Regen,

Her rauscht die Mitternacht auf feuchten Schwingen,

Und mit dem Dunkel muß das Lämplein ringen –

Wie bin ich müd, ich will zu Bett mich legen!


Was sinn ich noch zu meinem Abendsegen? –

In meinem Ohre summt ein leises Klingen

Und widerhallet ein verschollnes Singen:

Mein denket einer auf entfernten Wegen.


Bist du's, o Freund? Auch ich gedenke dein!

Sei mir gegrüßt im unsichtbaren Raume

Nach Jahren voll Vergessenheit und Leiden!
[91]

Bei unsrer Jugend bleichem Sternenschein

Sehn wir uns flüchtig fragend an im Traume,

Um wieder lang, auf immer wohl zu scheiden.

Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 91-92.
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