Mittag

[138] Ich soll sie sehn!

Faß' ich die Wonne?

O goldne Sonne!

Ich soll sie sehn!


Wo sind sie, die Quellen?

Die Wälder verschwunden.

Wo sind sie, die Höhn?

Es lachen die hellen

Liebäugelnden Stunden:

Du wirst sie sehn. –


Wie fremde Gestalten

Durchwandern die Gassen!

Wie rauschen die Brunnen! –

Ich kann mich nicht fassen,
[139]

Mein fliegender Blick

Durchwandert die Gassen,

Durchspäht die Gestalten,

Und suchet mein Glück.


Am Fenster, was siehst du?

Es flimmert der Schein.

O Bildniß, entfliehst du?

Kannst du es wohl seyn?


O seid mir gegrüsset, ihr Wolken fliehend!

Gegrüßt ihr Fremdlings-Häuser!

Ihr Tauben flatternd! ihr Blumen blühend!

Waldrauschen du vom Berg hernieder!

Ich denk' es inniger, sprech' es leiser,

Das ganze Herz tönt es wieder:

Ich soll sie sehn!

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 1, Heidelberg 1967, S. 138-140.
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