4. Die beiden Schwestern bei der Rose

[230] 1772.


Laß sie stehn,

Schwesterchen,

Diese junge Rose!

Siehst du nicht,

Daß sie sticht?

Laß sie, kleine Lose!
[230]

Unbeglückt

Wer sie pflückt

Vom bedornten Stamme!

Tief ins Herz

Dringt der Schmerz

Von Cytherens Flamme.


Als sie mir

Damon hier

Vor die Brust gestecket;

Mädchen, ah!

Was ward da

Schnell in mir erwecket!


Voller Glut

War mein Blut;

Zitternd alle Glieder!

Nimmermehr

Findet er

Mich so fühlend wieder.


Weißt du nicht

Das Gerücht,

Wie die Ros' entsprossen?

Aus der Qual,

Die einmal

Eos' Aug' entflossen.


Morgens früh

Eilte sie

Von dem trägen Gatten;

Tröpfelte

Zärtliche

Thränen auf die Matten.


Wonniglich

Zeigte sich[231]

Da die Blume Florens;

Purpurrot,

Wie das Rot

Auf der Wang' Aurorens.


Wer sie bricht,

Der kann nicht

Amors Pfeil' entfliehen.

Drum hat ihr,

(Warnung dir!)

Zeus den Dorn verliehen.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 230-232.
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