Die Geschichte von Ibrahim und Dschamilah

[532] Al-Khasib, der Vezier von Ägypten, hatte einen Sohn namens Ibrahim; herrlicher als er war keiner, und in seiner Besorgnis um ihn ließ er ihn nicht ausgehen, es sei denn zu den Freitagsgebeten. Und als der Jüngling eines Tages aus der Moschee heimkam, traf er auf einen alten Mann, der viele Bücher bei sich hatte; er saß also ab von seinem Pferde und setzte sich neben ihn und begann, die Bände aufzunehmen und durchzusehen. In einem nun erspähte er das Bildnis eines Weibes, das fast sprach, und nimmer wurde auf dem Angesicht der Erde eine Schönere erschaut; und da sie seine Vernunft gefangennahm und seinen Verstand verwirrte, so sprach er zu dem Alten: ›O Schaikh, verkaufe mir dieses Bildnis.‹ Der Schriftenhändler küßte zwischen seinen Händen den Boden und sprach: ›O mein Herr, es ist ohne Zahlung dein.‹ Ibrahim gab ihm hundert Dinare, nahm das Buch, darin das Bildnis war, und begann es anzustarren und Tag und Nacht zu weinen, indem er sich der Speise und des Trankes enthielt. Dann sprach er in seiner Seele: ›Wenn ich den Schriftenhändler frage nach dem Maler dieses Bildes, so wird er ihn mir vielleicht nennen; und wenn das Urbild am Leben ist, so will ich Zutritt zu ihr suchen; doch wenn es nichts ist als ein Bild, so will ich davon ablassen, daß ich es liebe, und mich nicht mehr um etwas quälen, was kein wirkliches[532] Dasein hat.‹ Am nächsten Freitag also begab er sich zu dem Händler, der aufsprang, um ihn zu begrüßen; und er sprach zu ihm: ›O Oheim, sage mir, wer dieses Bild gemalt hat.‹ Versetzte der: ›O mein Herr, ein Mann aus dem Volke von Bagdad hat es gemalt, und er heißt Abu al-Kasim al-Salandani, und er wohnt in einem Viertel, das da heißt Al-Karkh; aber ich weiß nicht, wessen Bildnis es ist.‹ Da verließ Ibrahim ihn, ohne einen aus seinem Hause bekannt zu machen mit seinem Zustand, und nachdem er das Freitagsgebet verrichtet hatte, kehrte er in den Palast zurück. Dann nahm er einen Beutel, füllte ihn mit Gold und Edelsteinen im Wert von dreißigtausend Dinaren und wartete bis zum Morgen, um dann, ohne jemandem etwas zu sagen, aufzubrechen und dahinzuziehn, bis er eine Karawane einholte. Bei ihr sah er einen Badawi und fragte ihn: ›O Oheim, welcher Abstand liegt zwischen mir und Bagdad?‹ Versetzte der andere: ›O mein Sohn, wo bist du, und wo ist Bagdad? Wahrlich, zwischen dir und ihm liegt eine Reise von zwei Monden.‹ Sprach Ibrahim: ›O Oheim, wenn du mich nach Bagdad führen willst, so will ich dir hundert Dinare geben und diese Stute, die ich reite und die noch einmal tausend Goldstücke wert ist.‹ Sprach der Badawi: ›Allah sei Zeuge dessen, was wir reden! Du sollst heute nacht nirgends nächtigen, außer bei mir.‹ Ibrahim willigte ein und verbrachte die Nacht bei ihm. Mit Tagesanbruch nun nahm der Badawi ihn, und in seiner Gier nach der Stute und dem versprochenen Golde ritt er eilig auf einem abkürzenden Wege mit ihm dahin; und sie ließen zu reisen nicht ab, bis sie zu den Mauern Bagdads kamen, wo der Beduine sprach: ›Preis sei Allah für die Sicherheit! O mein Herr, dies hier ist Bagdad.‹ Des freute Ibrahim sich in höchster Freude, und indem er absaß von der Stute, gab er sie dem Wüstenbewohner, zugleich mit den hundert Dinaren. Dann nahm er den Beutel und zog zu Fuß in die Stadt ein und in ihr weiter, indem er fragte nach dem Quartier Al-Karkh und der Stätte der Kaufleute, bis ihn das Schicksal in eine Gasse trieb, darin zehn Häuser standen, je fünf auf einer Seite, und am hinteren Ende war eine zweiflügelige Tür mit einem silbernen Ring. Am Tore standen zwei Marmorbänke, die waren bedeckt mit den[533] schönsten Teppichen, und auf der einen saß ein Mann von schöner und ehrwürdiger Erscheinung, gekleidet in prunkvolle Kleider und bedient von fünf Mamelucken, Monden gleich. Als nun der Jüngling die Straße sah, erkannte er sie nach der Schilderung, die der Schriftenhändler ihm gegeben hatte; und er grüßte den Alten, der seinen Gruß zurückgab und ihn willkommen hieß, indem er ihm einen Platz anbot und ihn fragte nach seinem Begehr. Sprach Ibrahim: ›Ich bin ein Fremdling, und ich erbitte es von deiner Huld, daß du mir in dieser Straße ein Haus aussuchest, darin ich wohnen kann.‹ Da rief der andre und sprach: ›He, Ghasalah!‹1 und heraus trat eine Sklavin, die sprach: ›Zu deinen Diensten, o mein Herr.‹ Sprach ihr Gebieter: ›Nimm ein paar Diener mit und geht einer wie alle in das und das Haus und säubert es und richtet es ein mit allem, wessen dieser schöne Jüngling bedarf.‹ Sie also ging und tat nach seinem Geheiß, während der Alte den Jüngling nahm und ihm das Haus zeigte. Sprach der: ›O mein Herr, wie hoch beläuft sich die Pacht für dieses Haus?‹ Und der andre erwiderte: ›O Hellgesicht, ich will keine Pacht dafür, solange du darin wohnst.‹ Ibrahim dankte ihm, und der Alte rief eine andre Sklavin; und heraus trat ein Mädchen, der Sonne gleich, und er sprach zu ihr: ›Bringe das Schachspiel.‹ Sie also brachte es, und einer der Diener breitete das Tuch aus. Sprach der Greis zu Ibrahim: ›Willst du mit mir spielen?‹ Und der Jüngling erwiderte: ›Ja.‹ So spielten sie denn mehrere Spiele, und Ibrahim schlug ihn, worauf sein Gegner ausrief: ›Schön, o Jüngling! Du bist in der Tat vollkommen in deinen Eigenschaften. Bei Allah, es gibt nicht einen in Bagdad, der mich schlagen kann, und doch hast du mich geschlagen.‹ Als sie nun das Haus bereitgemacht und eingerichtet hatten mit allem, was nötig war, übergab der Alte an Ibrahim die Schlüssel und sprach: ›O mein Herr, willst du nicht in mein Haus eintreten und von meinem Brot essen?‹ Ibrahim willigte ein, und als er mit ihm ging, fand er ein stattliches und schönes Haus, geschmückt mit Gold und voll von allerlei Gemälden und Hausrat die Fülle und andern Dingen, wie sie die Zunge nicht[534] schildern kann. Der Alte hieß ihn willkommen und rief nach Speise, und sie brachten einen Tisch, der stammte aus Sana in Al-Yaman; und sie deckten ihn mit allerlei Speisen, kostbarer und köstlicher gab es keine. Ibrahim also aß sich satt und wusch sich die Hände, und dann begann er, sich Haus und Hausrat anzusehn. Dann wandte er sich um und schaute aus nach dem ledernen Beutel; aber er fand ihn nicht und sprach bei sich selber: ›Es gibt keine Majestät, und es gibt keine Macht, außer bei Allah, dem Glorreichen, Großen! Ich habe einen Bissen gegessen, der einen Dirhem wert ist oder zwei, und ich habe einen Beutel verloren, darin für dreißigtausend Dinare waren! Aber ich suche Hilfe bei Allah!‹ Und er schwieg und konnte nicht reden ob der Größe seiner Sorge. Da brachte sein Wirt das Schachspiel und sprach zu ihm: ›Willst du mit mir spielen?‹ Sprach er: ›Ja.‹ Und sie spielten, und der Alte schlug ihn. Rief Ibrahim: ›Schön!‹ und er unterbrach das Spiel und stand auf. Da fragte sein Wirt: ›Was ficht dich an, o Jüngling?‹ Worauf er erwiderte: ›Mir fehlt der Beutel.‹ Und der Schaikh stand auf, brachte ihn ihm und sprach: ›Hier ist er, o mein Herr. Willst du jetzt wieder mit mir spielen?‹ ›Ja‹, erwiderte Ibrahim. Sie spielten also, und der Jüngling schlug den Alten, der jetzt zu ihm sprach: ›Als dein Gedanke beschäftigt war mit dem Beutel, da schlug ich dich; aber jetzt habe ich ihn dir wiedergebracht, und du schlägst mich. Doch sage mir, o mein Sohn, aus welchem Lande bist du?‹ Sprach Ibrahim: ›Ich bin aus Ägypten‹; fragte der Alte: ›Und welches ist die Ursache, daß du nach Bagdad kommst?‹ Da holte Ibrahim das Bildnis und sprach zu ihm: ›Wisse, o Oheim, ich bin der Sohn Al-Khasibs, des Veziers von Ägypten, und ich sah bei einem Schriftenhändler dieses Bild, das meinen Verstand verwirrte. Ich fragte ihn, wer es gemalt hätte, und er sprach: ›Der es malte, ist ein Mann namens Abu al-Kasim al-Salandani, und er wohnt in einer Straße, die da die Safranstraße heißt, im Viertel Al-Karkh zu Bagdad.‹ So steckte ich denn ein wenig Geld zu mir und kam allein hierher, ohne daß jemand davon wußte; und ich begehre von der Fülle deiner Gunst, daß du mich zu Abu al-Kasim weisest, auf daß ich ihn fragen kann, weshalb er dieses Bild gemalt hat und wessen Bildnis es ist.[535] Und was er auch von mir verlangt, das will ich ihm geben.‹ Sprach sein Wirt: ›Bei Allah, o mein Sohn, ich bin Abu al-Kasim al-Salandani, und es ist ein Wunder, wie das Schicksal dich zu mir getrieben hat!‹ Als nun Ibrahim diese Worte vernahm, da stand er auf vor ihm, umarmte ihn, küßte ihm Haupt und Hände und sprach: ›Allah sei mit dir, sage mir, wessen Bildnis es ist!‹ Versetzte der andere: ›Ich höre und gehorche‹; und indem er aufstand, öffnete er eine Kammer und holte daraus eine Anzahl Bücher hervor, in die er dasselbe Bild gemalt hatte. Dann sprach er: ›Wisse, o mein Sohn, daß das Urbild dieses Bildnisses meine Base ist, die Tochter meines Vaterbruders, der da heißt Abu al-Lais, der Vater des Löwen. Sie lebt in Bassorah, in welcher Stadt ihr Vater Statthalter ist, und ihr Name lautet Dschamilah, die Schöne. Es gibt auf dem Angesicht der Erde keine, die schöner wäre als sie; aber sie ist den Männern feindlich gesinnt und kann das Wort Mann in ihrer Gegenwart nicht sprechen hören. Nun begab ich mich einst zu meinem Oheim, damit er mich ihr vermählte, und ich spendete ihm viel Geld; doch er wollte nicht einwilligen; und als seine Tochter davon erfuhr, war sie entrüstet und schickte zu mir und ließ mir unter anderm sagen: ›Wenn du noch Verstand hast, so verweile nicht in dieser Stadt; sonst wirst du umkommen, und deine Sünde liege auf deinem eignen Nacken.‹ Denn sie ist eine Amazone unter den Amazonen. Ich also verließ gebrochenen Herzens Bassorah, und ich malte dieses ihr Bild in Bücher und schickte sie aus in ferne Länder, damit sie vielleicht einem schönen Jüngling in die Hände fielen und er sich Zutritt gewönne zu ihr, so daß sie sich vielleicht in ihn verliebte; und ich gedachte ihm ein Versprechen abzunehmen, daß er sie mir zeigen sollte, wenn er ihren Besitz erränge, und sollte ich sie auch nur für einen Augenblick aus der Ferne sehn.‹ Als Ibrahim, der Sohn Al-Khasibs, das hörte, neigte er sein Haupt eine Weile in tiefen Gedanken, und Al-Salandani sprach zu ihm: ›O mein Sohn, ich habe in Bagdad keinen gesehn, der schöner wäre als du, und mich dünkt, wenn sie dich sieht, so wird sie dich lieben. Bist du also willens, falls du mit ihr vereinigt wirst und ihren Besitz erlangst, sie mir zu zeigen, und wenn ich sie auch nur einen Augenblick[536] aus der Ferne sähe?‹ Versetzte Ibrahim: ›Ja.‹ Und der Maler erwiderte: ›Wenn es so ist, so bleibe bei mir, bis du aufbrichst.‹ Doch der Jüngling versetzte: ›Ich kann nicht länger zögern, denn mein Herz steht vor Liebe zu ihr in Flammen.‹ ›Habe drei Tage Geduld,‹ sagte der Schaikh, ›bis ich dir ein Schiff ausrüste, darin du nach Bassorah fahren kannst.‹ Er wartete also, während der Alte ihm ein Schiff ausrüstete, darin er alles verstaute, was er nötig hatte an Speise und Trank und so weiter. Und als die drei Tage verstrichen waren, sprach der Alte zu Ibrahim: ›Mache dich bereit für die Reise; denn ich habe dir ein Boot ausgerüstet, das mit allem, was du brauchst, versehen ist. Das Fahrzeug ist mein Eigentum, und die Seefahrer sind meine Diener. An Bord ist so viel, daß es dir genügen wird bis zu deiner Rückkehr, und ich habe der Mannschaft befohlen, dich zu bedienen, bis du wohlbehalten wiederkehrst.‹ Damit nahm Ibrahim Abschied von seinem Wirt, und indem er sich einschiffte, segelte er den Fluß hinab, bis er nach Bassorah kam, wo er hundert Dinare für die Seefahrer herauszog; doch sie sprachen: ›Wir haben unsern Lohn von unserm Herrn erhalten.‹ Versetzte er: ›Nehmt das als Spende; und ich will es ihm nicht sagen.‹ Da nahmen sie es und segneten ihn. Dann landete der Jüngling, ging in die Stadt und fragte: ›Wo wohnen die Kaufleute?‹ Und er erhielt die Antwort: ›In einem Khan, genannt der Khan von Hamadan.‹ Er ging also auf den Markt, an dem der Khan stand, und aller Augen richteten sich auf ihn, und das Übermaß seiner Schönheit und Lieblichkeit lenkte der Menschen Blicke auf ihn. Er trat in den Khan, und einer der Seefahrer begleitete ihn; und als er nach dem Pförtner fragte, wies man ihn an einen bejahrten Mann von ehrwürdiger Erscheinung. Er grüßte ihn, und der Türhüter gab ihm seinen Gruß zurück; dann sprach Ibrahim zu ihm: ›O Oheim, hast du ein hübsches Zimmer?‹ Versetzte er: ›Ja‹; und er ging mit ihm und dem Seefahrer und öffnete ihnen ein schönes, goldgeschmücktes Zimmer und sprach: ›O Jüngling, dieses Zimmer paßt für dich.‹ Ibrahim zog zwei Dinare hervor, gab sie ihm und sprach: ›Nimm das als Schlüsselgeld.‹ Und der Pförtner nahm sie und segnete ihn. Dann schickte der Jüngling Ibrahim den Seefahrer auf das Schiff[537] zurück und trat in das Zimmer, wo der Türhüter bei ihm blieb und ihn bediente und zu ihm sprach: ›O mein Herr, deine Ankunft hat uns Freude gebracht!‹ Ibrahim gab ihm einen Dinar und sprach: ›Davon kaufe uns Brot und Fleisch und Süßigkeiten und Wein.‹ Der Türhüter also ging auf den Markt, und nachdem er für zehn Dirhems Speisen gekauft hatte, kehrte er damit zu Ibrahim zurück und gab ihm die übrigen zehn. Doch der rief ihm zu: ›Gib sie für dich aus‹, also daß der Pförtner sich in höchster Freude freute. Dann aß er ein Brot mit ein wenig Zukost, und den Rest gab er dem Türhüter, indem er hinzufügte: ›Das bringe den Leuten vom Hause.‹ Der Pförtner brachte es den Seinen und sprach zu ihnen: ›Mich dünkt, es lebt auf dem Angesicht der Erde kein großherzigerer Mensch als der Jüngling, der heute bei uns eingezogen ist, und auch kein angenehmerer. Wenn er bei uns bleibt, so werden wir reich werden.‹ Dann kehrte er wiederum zu Ibrahim zurück und sah ihn weinen; und er setzte sich nieder und begann ihm die Füße zu reiben und sprach: ›O mein Herr, weshalb weinest du? Möge Allah dich nicht weinen lassen!‹ Sprach Ibrahim: ›O Oheim, ich habe Lust, heute nacht mit dir zu trinken‹; und der Pförtner erwiderte: ›Hören und Gehorsam!‹ Er gab ihm also fünf Dinare und sprach: ›Kaufe uns frische Früchte und Wein‹; und alsbald gab er ihm noch fünf dazu und sprach: ›Davon kaufe uns Nachtisch und Blumen und auch fünf fette Hühner, und bringe mir eine Laute.‹ Der Türhüter ging hinaus, kaufte, was er befohlen hatte, und sprach zu seinem Weibe: ›Kläre diesen Wein und koche uns diese Speisen und sieh zu, daß sie lecker werden, denn dieser Jüngling überwältigt uns mit seiner Güte.‹ Sie tat, wie er befahl und wie er es nur wünschen konnte; und er nahm die Speisen und brachte sie Ibrahim, dem Sohn des Veziers. Und sie aßen und tranken und vergnügten sich; Ibrahim aber weinte und schluchzte in einem tiefen Schluchzen auf und fiel ohnmächtig nieder. Der Pförtner seufzte, und als er wieder zu sich kam, sprach er zu ihm: ›O mein Herr, was bewirkt, daß du weinst? Doch Ibrahim stand auf und holte statt aller Antwort ein Bündel der reichsten Gewänder, die Frauen tragen, und sprach zu ihm: ›Nimm das in deinen Harim.‹ Er also trug es zu seiner Frau, und[538] sie kehrte mit ihm zurück in das Zimmer des Jünglings, und siehe, sie fand ihn weinend. Sprach der Türhüter zu ihm: ›Wahrlich, du brichst uns die Herzen! Sage uns, nach welcher Schönen du begehrst, und sie soll nichts andres sein als deine Sklavin.‹ Sprach er: ›O Oheim, wisse, ich bin der Sohn Al-Khasibs, des Veziers von Ägypten, und ich bin verliebt in Dschamilah, die Tochter des Statthalters Abu al-Lais.‹ Rief des Pförtners Weib: ›Allah, Allah! O mein Bruder, laß solche Reden, daß niemand uns höre und wir umkommen. Wahrlich, es gibt auf dem Angesicht der Erde keine, die eigenwilliger wäre als sie, und niemand darf ihr das Wort Mann nennen, denn sie hat einen Abscheu vor Männern. Deshalb, o mein Sohn, wende dich von ihr zu einer andern.‹ Als nun Ibrahim das hörte, da weinte er in bitterem Weinen, und der Türhüter sprach zu ihm: ›Ich habe nichts als mein Leben; aber das will ich wagen aus Liebe zu dir, um ein Mittel zu finden, wie du deinen Willen bekommst.‹ Dann verließen ihn die beiden, und am folgenden Tage begab er sich ins Hammam, und er legte ein Kleid königlicher Gewandung an und kehrte dann in seine Wohnung zurück. Dort traten der Pförtner und sein Weib zu ihm herein und sprachen: ›Wisse, o mein Herr, es lebt hier ein buckliger Schneider, der für die Herrin Dschamilah näht. Geh du zu ihm und mache ihn bekannt mit deinem Begehr; vielleicht wird er dir einen Weg zeigen, wie du dein Ziel erreichen kannst.‹ Da stand der Jüngling Ibrahim auf, begab sich in den Laden des buckligen Schneiders, trat zu ihm ein und fand bei ihm zehn Mamelucken, Monden gleich. Er grüßte sie mit dem Salam, und sie gaben seinen Gruß zurück und hießen ihn willkommen und ließen ihn sich setzen; und wahrlich, sie freuten sich seiner und waren erstaunt ob seiner Schönheit und Lieblichkeit; vor allem der Bucklige, der verwirrt war ob der Schönheit seines Wuchses und seines Angesichts. Ibrahim aber sprach zu ihm: ›Ich wünsche, daß du mir meine Tasche nähst.‹ Und der Schneider nahm eine Nadel und Seide und nähte seine Tasche, die er absichtlich zerrissen hatte; und Ibrahim gab ihm fünf Dinare und kehrte in seine Wohnung zurück. Sprach der Schneider: ›Was habe ich für diesen Jüngling getan, daß er mir fünf Goldstücke geben sollte?‹ Und er verbrachte die Nacht in[539] Gedanken an seine Schönheit und Großmut. Und als der Morgen tagte, begab sich Ibrahim in den Laden und grüßte den Schneider, der ihm seinen Gruß zurückgab und ihn willkommen hieß, indem er ihn sehr ehrte. Dann setzte er sich und sprach zu dem Buckligen: ›O Oheim, nähe mir meine Tasche, denn ich habe sie wieder zerrissen.‹ Versetzte der Schneider: ›Auf meinem Haupt und meinen Augen, o mein Sohn.‹ Und er nähte sie. Da gab Ibrahim ihm zehn Dinare, und er nahm sie, staunend ob seiner Schönheit und Großmut. Dann sprach er: ›Bei Allah, o Jüngling, dieses dein Verhalten muß notwendig einen Grund haben, denn solches gebührt sich nicht dafür, daß ich eine Tasche nähe. Aber sage mir die Wahrheit; und siehe, wir alle sind deine Sklaven und stehen dir zu Befehl.‹ Versetzte Ibrahim: ›O Oheim, dies ist nicht der Ort zum Plaudern, denn mein Schicksal ist wunderbar und meine Angelegenheit erstaunlich.‹ Sprach der Schneider: ›Wenn es so ist, so komm mit mir in ein getrenntes Zimmer.‹ Mit diesen Worten stand er eilends auf, nahm den Jüngling bei der Hand, führte ihn in ein Zimmer hinter dem Laden und sprach: ›Jetzt erzähle mir deine Geschichte, o Jüngling.‹ Ibrahim also erzählte ihm von Anfang bis zu Ende seine Geschichte, und der Schneider war entsetzt ob seiner Rede und rief: ›O Jüngling, fürchte Allah für dich! Wahrlich, die, von der du redest, ist ein Mannweib, und sie hat einen Abscheu vor den Männern. Deshalb, o mein Bruder, hüte deine Zunge, oder du wirst dich zugrunde richten.‹ Als Ibrahim die Worte des Buckligen vernahm, weinte er in bitterem Weinen, klammerte sich an des Schneiders Säume und rief: ›Hilf mir, o mein Oheim, oder ich bin des Todes; denn ich habe mein Königreich verlassen und das Königreich meines Vaters und meines Großvaters, und ich bin ein Fremdling geworden in den Landen und einsam; und ohne sie kann ich es nicht ertragen.‹ Als nun der Schneider sah, wie es mit ihm stand, hatte er Mitleid mit ihm und sprach: ›O mein Sohn, ich habe nur mein Leben, das aber will ich wagen aus Liebe zu dir, denn du machst, daß mir mein Herz schmerzt. Aber bis morgen will ich dir etwas ersinnen, wodurch dein Herz Trost finden soll.‹ Ibrahim segnete ihn, und indem er in den Khan zurückkehrte, erzählte er dem Türhüter, was der[540] Bucklige gesagt hatte, und der erwiderte: ›Wahrlich, er hat freundlich an dir gehandelt.‹ Am nächsten Morgen legte der Jüngling sein reichstes Gewand an, und er nahm einen Beutel mit Gold und begab sich zu dem Buckligen, den er begrüßte. Dann setzte er sich und sprach: ›O Oheim, halte mir dein Wort.‹ Sprach der Bucklige: ›Steh auf der Stelle auf und nimm dir drei fette Hühner und drei Unzen Zuckerkand und zwei kleine Krüge, mit Wein gefüllt. Und auch einen Becher. All das tu in einen Beutel, und morgen nach dem Morgengebet steige damit in ein Boot und sprich zu dem Fergen: ›Ich möchte, daß du mich den Fluß hinunterruderst unterhalb von Bassorah.‹ Wenn er zu dir spricht: ›Ich kann nicht weiter gehn als eine Parasange‹, so erwidere du: ›Wie du willst.‹ Doch wenn er so weit gekommen ist, so betöre ihn mit Geld, daß er dich weiter fahre; und der erste Blumengarten, den du dann erspähst, ist der der Herrin Dschamilah. Sowie du ihn siehst, geh zum Tor, und dort wirst du zwei hohe Stufen sehn, belegt mit Brokat, und darauf wird ein Buckliger sitzen gleich mir. Dem klage deine Not und flehe ihn an um seine Gunst; vielleicht wird er Mitleid haben mit deinem Zustand und dir zu ihrem Anblick verhelfen, wenn auch zunächst nur aus der Ferne. Das ist alles, was ich für dich tun kann; und wenn er sich deiner nicht erbarmt, so sind wir beide des Todes, ich wie du. Dies also ist mein Rat, und die Sache steht beim Allmächtigen.‹ Sprach Ibrahim: ›Ich suche Hilfe bei Allah; was er will, das wird; und es gibt keine Majestät, und es gibt keine Macht, außer bei Allah!‹ Dann verließ er den buckligen Schneider und kehrte in seine Wohnung zurück, wo er alles nahm, was sein Ratgeber ihm genannt hatte, und es in einen Beutel tat. Am folgenden Tage ging er, sowie es Tag war, hinunter zum Ufer des Tigris, wo er einen schlafenden Bootsmann fand. Er weckte ihn und gab ihm zehn Dinare, indem er ihm befahl, ihn den Strom unterhalb von Bassorah hinabzurudern. Sprach der Mann: ›O mein Herr, es muß unter der Bedingung sein, daß ich nicht weiter zu gehen brauche als eine Parasange; denn wenn ich diese Strecke auch nur um eine Spanne überschreite, so bin ich verloren, und du dazu.‹ Sprach Ibrahim: ›Es sei, wie du willst.‹ Und er nahm ihn und[541] fuhr mit ihm den Fluß hinab, bis er sich dem Blumengarten näherte; dann aber sprach er zu ihm: ›O mein Sohn, ich kann nicht weiter gehn, denn wenn ich diese Grenze überschreite, so sind wir beide des Todes.‹ Da zog Ibrahim weitere zehn Dinare, gab sie ihm und sprach: ›Nimm dieses Geld und bessere deine Lage damit.‹ Der Bootsmann schämte sich, es ihm abzuschlagen, und er fuhr weiter, indem er rief: ›Ich befehle die Sache in Allahs, des Allmächtigen, Hand.‹ Und er fuhr weiter mit ihm den Strom hinab. Als sie nun den Blumengarten erreichten, sprang der Jüngling in seiner Freude, um einen Speerwurf weit vom Ufer entfernt, ans Land und warf sich nieder, während der Ferge kehrt machte und floh. Dann schritt Ibrahim weiter und fand alles, wie es ihm geschildert worden war; er sah auch das Gartentor offen, und im Tor stand ein Lager aus Elfenbein, auf dem ein Buckliger von angenehmer Erscheinung saß, gekleidet in goldbortige Gewänder, in der Hand eine silberne, mit Gold belegte Keule. Auf den nun eilte er zu, ergriff seine Hand und küßte sie. Und der Bucklige fragte: ›Wer bist du, und woher kommst du, und wer hat dich hierhergebracht, o mein Sohn?‹ Und wahrlich, als er Ibrahim, den Sohn Al-Khasibs, sah, erstaunte er ob seiner Schönheit. Versetzte er: ›O mein Oheim, ich bin ein unwissender Knabe und ein Fremdling.‹ Und er weinte. Der Bucklige hatte Mitleid mit ihm, und indem er ihn auf sein Lager setzte, wischte er ihm die Tränen ab und sprach: ›Dir soll nichts Arges widerfahren. Wenn du in Schulden bist, so möge Allah deine Schulden tilgen; und wenn du in Furcht bist, so möge Allah deine Furcht von dir nehmen!‹ Versetzte Ibrahim: ›O Oheim, ich bin weder in Schulden noch in Furcht, sondern ich habe dank Allah Geld die Fülle.‹ Entgegnete der andere: ›Welches, o mein Sohn, ist dann deine Not, dieweil du dich und deine Lieblichkeit an einen Ort wagst, wo das Verderben lauert?‹ Da erzählte Ibrahim ihm seine Geschichte und enthüllte ihm seine Not, also daß der andre das Haupt zu Boden neigte und nach einer Weile zu ihm sprach: ›War der, der dich hierher wies, der bucklige Schneider?‹ ›Ja,‹ erwiderte Ibrahim, und der Wächter sprach: ›Er ist mein Bruder, und er ist ein gesegneter Mann!‹ Und er fügte hinzu: ›Aber, o mein Sohn,[542] wäre mir nicht die Liebe zu dir tief ins Herz gesunken, und hätte ich nicht Mitleid mit dir gefaßt, wahrlich, so wärest du verloren, du mitsamt meinem Bruder und dem Türhüter des Khans und seinem Weibe. Denn wisse, dieser Blumengarten hat auf dem Angesicht der Erde nicht seinesgleichen, und er heißt der Garten der wilden Färse, und während meines ganzen Lebens hat ihn noch niemand betreten außer dem Sultan und mir und seiner Herrin Dschamilah. Ich wohne hier seit zwanzig Jahren, und noch nie habe ich es erlebt, daß jemand bis hierher gelangte. Alle vierzig Tage kommt die Herrin Dschamilah in einer Barke, umgeben von ihren Frauen und unter einem Baldachin aus Satin, dessen Säume an goldenen Haken zehn Mädchen halten, wenn sie eintritt, und ich bekomme nichts von ihr zu sehen. Aber ich habe nur mein Leben, und das will ich wagen um deinetwillen.‹ Da küßte Ibrahim ihm die Hand, und der Wächter sprach zu ihm: ›Bleibe bei mir sitzen, bis ich etwas für dich ersinne.‹ Und er nahm ihn bei der Hand und führte ihn in den Blumengarten. Und als Ibrahim ihn sah, da meinte er, es sei Eden, denn es standen verschlungene Bäume darin, Palmen, die hoch aufragten, Bäche rannen und Vögel sangen mit mancherlei Stimmen. Dann führte der Wächter ihn in einen gewölbten Pavillon und sprach zu ihm: ›Hier pflegt die Herrin Dschamilah zu sitzen.‹ Der Jüngling also prüfte ihn und erkannte, daß er das seltenste Lusthaus war, voll von allerlei Gemälden in Gold und Lapislazuli. Er hatte vier Türen, in die man auf fünf Stufen emporstieg, und in der Mitte lag eine Wasserzisterne, zu der goldene Stufen hinabführten, die besetzt waren mit Edelsteinen. Und in der Mitte des Beckens wieder stand ein goldener Brunnen mit großen und kleinen Figuren, die in Garben Wasser aus den Mündern spien; und da sie vermöge des strömenden Wassers auf verschiedene Töne abgestimmt waren, so schien es dem Hörer, als wäre er im Eden. Rund um den Pavillon lief ein Wasserkanal, der ein persisches Wasserrad trieb; dessen Eimer waren aus Silber und bedeckt mit Brokat. Links von dem Pavillon befand sich ein silbernes Gitter, durch das man auf einen grünen Park sah; und in dem waren allerlei wilde Tiere, Gazellen und Hasen; und zur Rechten befand[543] sich ein zweites Gitter, das eine Wiese voller Vögel aller Arten überschaute, die sangen in mancherlei Stimmen und verwirrten des Hörers Verstand. Als der Jüngling all das sah, war er entzückt, und er setzte sich im Tore neben den Gärtner, der zu ihm sprach: ›Wie scheint dir mein Garten?‹ Sprach Ibrahim: ›Er ist das Paradies der Welt!‹ Des lachte der Gärtner, und dann stand er auf und blieb eine Weile aus, und schließlich kehrte er mit einer Platte zurück, die war gedeckt mit Hühnern und Wachteln und andern Leckereien, wie Süßigkeiten aus Zucker; und er setzte sie vor Ibrahim hin und sprach: ›Iß dich satt.‹ Der also aß sich satt, während der Wächter sich freute und rief: ›Bei Allah, dies ist die Art der Könige und der Königssöhne!‹ Dann sprach er: ›O Ibrahim, was hast du in jenem Beutel?‹ Der Gärtner öffnete ihn vor seinen Augen und sprach: ›Nimm ihn an dich, das wird dir dienen, wenn die Herrin Dschamilah kommt; denn wenn sie erst hier ist, so kann ich dir keine Speise mehr bringen.‹ Und er stand auf, nahm den Jüngling bei der Hand, führte ihn an einen Ort gegenüber dem Pavillon, machte ihm unter den Bäumen eine Laube und sprach: ›Hier steige hinauf, und wenn sie kommt, so wirst du sie sehen, ohne daß sie dich sieht. Das ist das Beste, was ich für dich tun kann, und auf Allah sei unser Verlaß! Wenn sie singt, so trinke du zu ihrem Gesang, und wenn sie aufbricht, so sollst du, Inschallah, in Sicherheit dahin kehren, woher du kamest!‹ Ibrahim dankte ihm und wollte ihm die Hände küssen, doch er verbot es ihm. Dann tat der Jüngling den Beutel in die Laube, und der Gärtner sprach zu ihm: ›O Ibrahim, zieh umher und ergehe dich im Garten und iß von seinen Früchten, denn die Ankunft deiner Geliebten ist auf morgen bestimmt.‹ Er also erging sich im Garten und aß von seinen Früchten; und abends nächtigte er bei dem Gärtner. Als nun der Morgen kam, betete er das Morgengebet, und alsbald trat bleichen Angesichts der Gärtner zu ihm ein und sprach: ›Auf, o mein Sohn, und geh in deine Laube; denn die Sklavinnen sind gekommen, um alles in Ordnung zu bringen, und sie kommt hinter ihnen her. Also hüte dich, auszuspeien oder zu niesen oder dir die Nase zu schnauben; sonst sind wir des Todes, ich und du!‹ Da stand Ibrahim auf und[544] stieg in sein Nest, während der Gärtner dahinging und sprach: ›Allah gewähre dir Sicherheit, o mein Sohn!‹ Und siehe, alsbald kamen vier Sklavinnen daher, derengleichen niemand je erblickte; und sie traten in den Pavillon, legten ihre Oberkleider ab und wuschen ihn. Dann besprengten sie ihn mit Rosenwasser, beräucherten ihn mit Amber und Aloenholz und belegten ihn mit Brokat. Nach ihnen kamen fünfzig weitere Mädchen, die trugen Musikinstrumente, und unter ihnen war Dschamilah, die einherschritt in einem verhängten Thronhimmel aus rotem Brokat, dessen Säume die Sklavinnen an goldenen Haken trugen, bis sie den Pavillon betreten hatten, so daß Ibrahim nichts von ihr und ihrem Gewande sah. Sprach er bei sich selber: ›Bei Allah, meine Mühe ist verloren! Aber ich muß abwarten, wie es wird!‹ Dann brachten die Mädchen Speise und Trank, und sie aßen und tranken und wuschen sich die Hände; und schließlich stellten sie ihr einen königlichen Stuhl auf, und sie setzte sich nieder; und alle spielten auf Musikinstrumenten und sangen unvergleichlich mit herrlichen Stimmen. Dann kam eine Alte, eine Kammerfrau, gelaufen, und sie klatschte in die Hände und tanzte, während die Mädchen sie hin und her zogen, bis der Vorhang gehoben wurde und Dschamilah lachend heraustrat. Ibrahim starrte sie an, und er sah, daß sie in kostbare Gewänder gekleidet war und mit Schmuck behangen, und auf ihrem Haupt lag eine Krone, besetzt mit Perlen und Edelsteinen. Um ihren schönen langen Hals trug sie ein Halsband aus Perlen, und ihre Hüften wurden umschlungen von einem Gürtel aus Chrysolithkristallen, mit Quasten aus Rubinen und Perlen. Die Mädchen küßten vor ihr den Boden, und dann sprach die alte Kammerfrau zu den Mädchen: ›Zehn von euch mögen aufstehn und tanzen und singen.‹ Und als Ibrahim sie ansah, sprach er bei sich selber: ›Ich wollte, daß die Herrin Dschamilah tanzte!‹ Als nun die Sklavinnen mit ihrem Tanz zu Ende waren, sammelten sie sich um die Prinzessin und sprachen zu ihr: ›O meine Herrin, wir sehnen uns danach, daß du unter uns tanzest, auf daß das Maß unsrer Freude voll werde, denn nimmer sahen wir einen köstlicheren Tag als diesen.‹ Sprach Ibrahim bei sich selber: ›Zweifelsohne sind die Tore des Himmels geöffnet, und Allah hat mir mein Gebet[545] erfüllt.‹ Und die Mädchen küßten ihr die Füße und sprachen: ›Bei Allah, wir sahen dich nie in so weiter Brust wie heute!‹ Und sie ließen nicht ab, sie zu drängen, bis sie ihr Oberkleid ablegte und dastand in einem Hemd aus Goldtuch, das besetzt war mit mancherlei Juwelen; und sie entschleierte ein Gesicht, als wäre es der Mond in der Nacht seiner Fülle. Dann begann sie zu tanzen, und Ibrahim sah Bewegungen, derengleichen er nimmer im Leben gesehen hatte, denn sie bewies viel wunderbare Kunst und staunenswerte Erfindungsgabe, also, daß die Menschen das Tanzen der Perlen im Becher voll Wein vergaßen und nur noch des Neigens der Turbane auf den Häuptern dachten. Sprach Ibrahim: ›Als ich sie so anstarrte, sah sie eben empor und erspähte mich; und ihr Gesicht verwandelte sich, als sie zu ihren Frauen sprach: ›Singt, bis ich zu euch zurückkehre.‹ Dann nahm sie ein Messer, das war eine halbe Elle lang; und sie kam auf mich zu und rief: ›Es gibt keine Majestät, und es gibt keine Macht, außer bei Allah, dem Glorreichen, Großen!‹ Als ich das sah, da verlor ich fast den Verstand; doch als sie nahte und mir von Angesicht zu Angesicht gegenübertrat, fiel ihr das Messer aus der Hand, und sie rief: ›Ruhm sei Dem, der der Menschen Herzen wandelt!‹ Dann sprach sie zu mir: ›O Jüngling, sei guten Mutes, denn du bist sicher vor dem, was du fürchtest!‹ Ich aber begann zu weinen, und sie, mir mit der Hand die Tränen abzuwischen; und sie sprach: ›O Jüngling, sage mir, wer du bist und was dich hierher geführt hat.‹ Ich küßte vor ihr den Boden und ergriff ihren Saum; und sie sprach: ›Dir soll nichts Arges widerfahren; denn bei Allah, kein Mann hat je meine Augen gefüllt außer dir! Sage mir also, wer du bist!‹ Ich nun erzählte ihr von Anfang bis zu Ende meine Geschichte, so daß sie staunte und zu mir sprach: ›O mein Herr, ich flehe dich an, bei Allah, sage mir, ob du Ibrahim bin al-Khasib bist.‹ Versetzte ich: ›Ja.‹ Und sie warf sich auf mich und sprach: ›O mein Herr, du warst der, der mir den Abscheu vor den Männern einflößte, denn als ich vernahm, daß im Lande Ägypten ein Jüngling lebte, wie er schöner nimmer auf dem Angesicht der Erde wandelte, da verliebte ich mich durch das Gerücht in dich, und mein Herz wurde dir untertan durch das, was ich von[546] deiner unvergleichlichen Herrlichkeit vernahm. Preis also sei Allah, der mir dein Angesicht gezeigt hat! Aber beim Allmächtigen, wäre es ein andrer gewesen als du, ich hätte den Gärtner und den Pförtner des Khans und den Schneider und den gekreuzigt, der seine Zuflucht zu ihnen nahm.‹ Und sie fügte hinzu: ›Aber wie soll ich sorgen für etwas, was du essen kannst, ohne daß meine Frauen es merken?‹ Sprach ich: ›Ich habe bei mir, wovon wir essen und trinken können‹; und ich öffnete vor ihren Augen den Beutel. Sie nahm ein Huhn und begann, mir Bissen in den Mund zu schieben, während ich ihr Bissen in den Mund schob; und als ich das sah, da war es mir, als wäre es ein Traum. Dann holte ich Wein hervor, und wir tranken, während die Mädchen sangen; und also ließen sie zu tun von Morgen bis Mittag nicht ab; und schließlich stand Dschamilah auf und sprach: ›Geh jetzt und hole dir ein Boot und erwarte mich da und da, bis ich komme; denn mir bleibt keine Geduld, die Trennung zu ertragen.‹ Versetzte ich: ›O meine Herrin, ich habe ein eigenes Schiff bei mir, dessen Mannschaft in meinem Sold steht, und sie erwarten mich.‹ Sprach sie: ›Das ist, wie wir es haben möchten‹, und sie kehrte zu ihren Frauen zurück und sprach zu ihnen: ›Kommt, laßt uns heimkehren in unsern Palast.‹ Versetzten sie: ›Weshalb sollten wir schon heimkehren, da wir doch sonst drei Tage zu bleiben pflegten?‹ Sprach sie: ›Ich fühle einen großen Druck auf mir, als würde ich krank, und ich fürchte, das wird stärker werden.‹ Da erwiderten sie: ›Wir hören und gehorchen.‹ Und sie legten ihre Oberkleider an, gingen zum Fluß hinab und schifften sich ein in einem Boot; und siehe, der Gärtner trat zu Ibrahim und sprach zu ihm, denn er wußte nicht, was geschehen war: ›O Ibrahim, du hast nicht das Glück gehabt, sie zu sehen, und ich fürchte, daß sie dich gesehen hat, denn sonst pflegt sie drei Tage hier zu bleiben.‹ Sprach Ibrahim: ›Sie hat weder mich, noch ich sie gesehen, denn sie hat den Pavillon nicht verlassen.‹ Versetzte der Gärtner: ›Wahr, o mein Sohn, denn hätte sie dich gesehen, so wären wir beide des Todes; aber bleibe bei mir, bis sie in der nächsten Woche wiederkommt, und du sollst sie erschauen und dich an ihr satt sehn.‹ Sprach der Prinz: ›O mein Herr, ich habe Geld bei mir und bin[547] darum besorgt; auch ließ ich Leute hinter mir, und ich fürchte, sie werden meine Abwesenheit benutzen.‹ Entgegnete der andre: ›O mein Herr, es wird mir schwer, mich von dir zu trennen‹; und er umarmte ihn und nahm Abschied. Dann kehrte Ibrahim in den Khan zurück, wo er wohnte; und indem er zu dem Pförtner trat, nahm er ihm all sein Eigentum ab, und der Türhüter sprach zu ihm: ›Gute Nachricht, Inschallah!‹ Aber Ibrahim sprach: ›Ich habe keinen Weg gefunden zu dem, was ich wollte, und jetzt gedenke ich zu den Meinen zurückzukehren.‹ Da weinte der Pförtner, und er nahm sein Gepäck, trug es zum Schiff, und sagte ihm lebewohl. Ibrahim aber begab sich an den Ort, den Dschamilah ihm genannt hatte; und er wartete dort, bis es dunkel wurde; und siehe, da kam sie, verkleidet als ein Eisenfresser mit rundem Bart, die Hüften mit einem Gürtel umschlossen. In einer Hand hielt sie einen Bogen und in der andern ein entblößtes Schwert; und sie fragte ihn: ›Bist du Ibrahim, der Sohn Al-Khasibs, des Herrn von Ägypten?‹ ›Der bin ich‹, erwiderte der Prinz; und sie sprach: ›Was für ein Tunichtgut bist du, der du kommst, die Töchter der Könige zu verführen? Komm, sprich mit dem Sultan.‹ ›Da‹ – sprach Ibrahim – ›fiel ich ohnmächtig nieder, und die Seefahrer erstarben vor Furcht in ihrer Haut; doch als sie sah, was mir widerfahren war, zog sie sich den Bart ab und warf das Schwert aus der Hand; und als sie den Gürtel abnahm, erkannte ich sie als die Herrin Dschamilah und sprach zu ihr: ›Bei Allah, du hast mir das Herz zerrissen!‹ Und zu den Seefahrern sagte ich: ›Beschleunigt die Fahrt des Schiffes.‹ Sie warfen also die Segel aus und stießen ab und fuhren in aller Eile dahin. Und nicht viele Tage verstrichen, so erreichten wir Bagdad, wo wir plötzlich ein Schiff am Ufer liegen sahen. Als dessen Mannschaft uns sah, riefen die Leute unsrer Mannschaft zu und sprachen: ›He, Duunddu und Duunddu, wir wünschen euch Glück zu eurer Sicherheit!‹ Dann schoben sie ihr Schiff an das unsre, und ich spähte aus und erblickte in dem andern Fahrzeug Abu al-Kasim al-Salandani; und als er uns sah, rief er aus: ›Dies ist, was ich suchte; geht ihr in Allahs Schutz, ich aber habe ein Begehr, das befriedigt werden muß!‹ Dann wandte er sich zu mir und sprach:[548] ›Preis sei Allah für die Sicherheit! Hast du deinen Vorsatz ausgeführt?‹ Versetzte ich: ›Ja.‹ Nun hatte Abu al-Kasim eine Fackel bei sich; und er hielt sie dicht an unser Boot, und als Dschamilah ihn sah, war sie verwirrt, und sie wechselte die Farbe; doch als er sie erblickte, sprach er: ›Fahrt hin in Allahs Schutz. Ich will nach Bassorah, mit dem Sultan zu reden; doch das Geschenk ist für den, der zugegen ist!‹ Dann holte er eine Dose mit Süßigkeiten hervor, in denen Bangh war, und er warf sie in unser Boot; worauf ich zu Dschamilah sprach: ›O Kühle meiner Augen, iß davon.‹ Sie aber weinte und sprach: ›O Ibrahim, weißt du, wer das ist?‹ Und ich erwiderte: ›Ja, Derundder.‹ Versetzte sie: ›Er ist mein Vetter, der Sohn meines Vatersbruders, der mich ehedem von meinem Vater zur Ehe begehrte; ich aber wollte ihn nicht. Und jetzt geht er nach Bassorah, und wahrscheinlich wird er zu meinem Vater von uns beiden reden.‹ Sprach ich: ›O meine Herrin, er wird Bassorah nicht erreichen, bevor wir nicht in Mosul sind.‹ Doch wir wußten nicht, was in der geheimen Absicht auf uns lauerte. Dann‹ – fuhr Ibrahim fort – ›aß ich von den Süßigkeiten, doch kaum hatten sie meinen Magen erreicht, als ich mit dem Kopf den Boden schlug; und fast bis Tagesanbruch blieb ich liegen; dann nieste ich, und das Bangh flog mir zur Nase heraus. Und als ich die Augen aufschlug, sah ich mich nackt unter Trümmern ausgesetzt; da schlug ich mir das Gesicht und sprach bei mir selber: ›Zweifelsohne ist das ein Streich, den mir Al-Salandani gespielt hat.‹ Doch ich wußte nicht, wohin ich mich wenden sollte, denn ich hatte nichts auf dem Leibe als meine Hose. Ich stand aber auf und ging ein wenig dahin; und plötzlich sah ich, wie der Wachthauptmann, begleitet von einem Aufgebot an Leuten mit Schwertern und Schilden, auf mich zukam. Darob erschrak ich, und da ich ein verfallenes Hammam erblickte, so verbarg ich mich darin. Nun stolperte mein Fuß über irgend etwas; und ich griff mit der Hand danach, die ich so mit Blut besudelte. Und da ich nicht wußte, was sie besudelt hatte, so wischte ich sie an meiner Hose ab, und ich streckte sie ein zweitesmal aus, und nun traf sie auf eine Leiche, deren Kopf mir in der Hand blieb. Ich warf ihn nieder und sprach: ›Es gibt keine Majestät, und es gibt keine Macht, außer[549] bei Allah, dem Glorreichen, Großen!‹ Und ich suchte Zuflucht in einer der Seitenkammern des Hammam. Dann blieb der Wali an der Tür des Bades stehen und sprach: ›Dringt ein und sucht.‹ Und zehn von ihnen traten mit Fackellampen ein, und ich zog mich in meiner Angst hinter eine Mauer zurück; und als ich die Leiche ansah, erkannte ich sie als die einer jungen Dame mit einem Gesicht gleich dem vollen Mond; ihr Haupt aber lag auf der einen Seite, und ihr Rumpf, gekleidet in kostbare Gewänder, auf der andern. Als ich das sah, da bebte mir das Herz vor Entsetzen. Und auch der Wachthauptmann selber trat ein und sprach: ›Untersucht die Seitenkammern des Bades.‹ Sie also drangen dort ein, wo ich war, und einer von ihnen sah mich und kam auf mich zu, in der Hand ein Messer von einer halben Elle Länge. Und als er sich mir näherte, rief er: ›Ruhm sei Allah, dem Schöpfer dieses schönen Angesichts! O Jüngling, woher bist du?‹ Dann faßte er mich bei der Hand und sprach: ›O Jüngling, weshalb hast du dies Weib erschlagen?‹ Sprach ich: ›Bei Allah, ich habe sie nicht erschlagen, noch auch weiß ich, wer sie erschlug, und ich habe mich nur aus Angst vor euch hierher geflüchtet!‹ Und ich erzählte ihm meine Geschichte und fügte hinzu: ›Allah sei mit dir, tu mir nichts Arges, denn ich bin in Sorge um mich.‹ Er aber nahm mich und führte mich vor den Wachthauptmann; und als der die Blutspuren auf meiner Hand sah, sprach er: ›Hier bedarf es keines Beweises; schlagt ihm den Kopf ab!‹ Als aber ich diese Worte vernahm, da weinte ich in bitterem Weinen, und ich schluchzte auf in einem einzigen Schluchzen und fiel ohnmächtig zu Boden; und des Henkers Herz wurde von Mitleid mit mir erfaßt, und er rief aus: ›Bei Allah, dies ist keines Mörders Angesicht!‹ Doch der Hauptmann erwiderte: ›Schlagt ihm den Kopf ab!‹ Sie also setzten mich auf das Blutleder und verbanden mir die Augen; dann zog der Schwertträger sein Schwert, und indem er den Wali um Erlaubnis bat, wollte er mir eben den Kopf abschlagen, während ich rief: ›Weh um meine Fremdlingschaft!‹, als, siehe und siehe, ich den Lärm nahender Rosse vernahm; und eine Stimme rief laut: ›Laßt ihn! Halte die Hand zurück, du Träger des Schwerts!‹

Nun hatte das einen wunderbaren und erstaunlichen Grund! Es war aber dieser: Al-Khasib, der Vezier von Ägypten, hatte seinen[550] Großkämmerling an den Kalifen Harun al-Raschid entsandt, und zwar mit Geschenken und einem Schreiben, darin geschrieben stand: ›Mein Sohn ist seit einem Jahr verschwunden, und ich höre, daß er in Bagdad ist; deshalb erflehe ich es von der Güte des Stellvertreters Allahs, daß er suchen lasse nach Kunde von ihm und sein möglichstes tue, ihn zu finden, und daß er ihn mir mit dem Kämmerling zurücksende.‹ Als nun der Kalif diese Botschaft las, befahl er dem Wachthauptmann, nach der Wahrheit in dieser Sache zu forschen, und er ließ nicht ab, nach Ibrahim zu suchen, bis ihm gesagt wurde, daß er zu Bassorah sei. Der Wachthauptmann sagte das dem Kalifen, und der schrieb einen Botschaft an den Vizekönig, gab sie dem Kämmerling von Ägypten und befahl ihm, sich nach Bassorah zu begeben und ein Geleit aus den Leuten des Veziers mitzunehmen. In seinem Eifer, den Sohn seines Herrn zu finden, brach der Kämmerling auf der Stelle auf, und unterwegs traf er auf Ibrahim, der eben auf dem Blutleder saß. Als aber der Wali den Kämmerling sah, erkannte er ihn und saß ab; worauf der andre ihn fragte: ›Was für ein Jüngling ist das, und welches ist sein Verbrechen?‹ Da erzählte der Hauptmann ihm, wie es stand, und der Kämmerling sprach (und siehe, er erkannte ihn nicht als den Sohn des Sultans): ›Wahrlich, dieser Jüngling hat nicht das Antlitz dessen, der mordet.‹ Und er befahl, seine Fesseln zu lösen; und als sie ihn losgelassen hatten, sprach der Kämmerling: ›Bringt ihn her zu mir!‹ Sie brachten ihn, doch der Würdenträger erkannte ihn nicht, da seine ganze Schönheit dahin war durch die Greuel, die er erduldet hatte. Sprach der Kämmerling zu ihm: ›O Jüngling, erzähle mir deine Geschichte, und wie kommt diese erschlagene Frau zu dir?‹ Ibrahim sah ihn an, und da er ihn erkannte, so sprach er zu ihm: ›Weh dir! Kennst du mich nicht? Bin ich nicht Ibrahim, der Sohn deines Herrn? Vielleicht bist du auf der Suche nach mir hierhergekommen?‹ Da sah der Kämmerling ihn genau an, und da er ihn endlich erkannte, warf er sich ihm zu Füßen; als aber der Wachthauptmann das sah, da wechselte er die Farbe, und der Kämmerling schrie ihn an: ›Pfui über dich, Tyrann! War es deine Absicht, den Sohn meines Herrn Al-Khasib, des Veziers von Ägypten,[551] zu erschlagen?‹ Der Wali küßte ihm die Säume und sprach: ›O mein Herr, wie sollte ich ihn erkennen? Wir fanden ihn in diesem Zustand und sahen das Mädchen erschlagen zu seiner Seite.‹ Rief der Kämmerling: ›Pfui über dich! Du taugst nicht für dein Amt. Dies ist ein Knabe von fünfzehn Jahren, und er hat noch keinen Sperling erschlagen; wie also sollte er ein Mörder sein? Weshalb hattest du nicht Geduld mit ihm und fragtest ihn nach seinem Schicksal?‹ Und der Kämmerling und der Wali riefen den Leuten zu: ›Sucht nach dem Mörder der jungen Dame.‹ Sie drangen also von neuem ein in das Bad; und da sie ihn fanden, brachten sie ihn dem Wachthauptmann, der ihn vor den Kalifen schleppte und ihn bekannt machte mit dem, was geschehen war. Harun al-Raschid befahl, den Mörder zu erschlagen, und indem er ausschickte nach Ibrahim, lächelte er ihm ins Gesicht und sprach zu ihm: ›Erzähle mir deine Geschichte und was dir widerfahren ist.‹ Er also erzählte ihm von Anfang bis zu Ende seine Geschichte, und der Kalif grämte sich, rief nach Masrur, dem Träger seines Schwertes, und sprach zu ihm: ›Geh stracks und falle über das Haus Abu al-Kasim al-Salandanis her und bringe ihn und die junge Dame vor mich.‹ Der Eunuch ging auf der Stelle davon, und als er einbrach in das Haus, fand er Dschamilah mit ihrem eignen Haar gebunden und dem Tode nahe. Er löste sie, ergriff den Maler und führte sie beide vor den Kalifen, der staunte über Dschamilahs Schönheit. Dann wandte er sich zu Al-Salandani und sprach: ›Nehmt ihn und schlagt ihm die Hände ab, mit denen er diese junge Herrin schlug; dann kreuzigt ihn, und liefert Ibrahim aus, was er an Geld und sonst noch besaß.‹ Sie taten nach seinem Geheiß, und als er so weit war, siehe, da trat Abu al-Lais herein, der Statthalter von Bassorah, der Vater der Herrin Dschamilah; und er suchte Hilfe bei dem Kalifen wider Ibrahim, den Sohn Al-Khasibs, des Veziers von Ägypten; und er führte Klage bei ihm, daß der Jüngling ihm seine Tochter entführt hätte. Sprach Harun al-Raschid: ›Er war das Werkzeug, sie zu erretten vor Folter und Tod.‹ Dann schickte er nach Ibrahim, und als er kam, sprach er zu Abu al-Lais: ›Willst du nicht diesen Jüngling, den Sohn des Sultans von Ägypten, annehmen als[552] Gatten deiner Tochter?‹ Versetzte Abu al-Lais: ›Ich höre, und ich gehorche Allah und dir, o Beherrscher der Gläubigen‹; worauf der Kalif den Kasi und die Zeugen berief und die junge Herrin Ibrahim vermählte. Ferner gab er ihm all den Reichtum Al-Salandanis, und er rüstete ihn aus für die Heimkehr in sein Land, wo er mit Dschamilah in größter Seligkeit und in höchstem Glück lebte, bis zu ihnen kam der Vernichter der Wonnen und der Trenner aller Gemeinschaft; Ruhm aber sei dem Lebenden, der nimmer stirbt!‹

Fußnoten

1 Gazelle.


Quelle:
Die schönsten Geschichten aus 1001 Nacht. Leipzig [1914], S. 532-553.
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